Früher was alles ... schlechter - Zivilcourage

Drei Menschen stehen vor einer Tafel auf der Wünsche und Erwartungen steht. Die Menschen sind verdeckt oder von hinten zu sehen. - Früher was alles ... schlechter - Zivilcourage
Allgemeines

Veröffentlicht

07.08.2025

Autor:in

Christoph Hahn

Was tut ihr, wenn jemand in der Bahn rassistisch beleidigt wird, jemand einen sexistischen Spruch macht oder ihr seht, wie jemand bedrängt wird? Heute sprechen wir viel über Zivilcourage – darüber, wie wichtig sie ist und warum sie für eine offene, demokratische Gesellschaft unerlässlich ist. Leicht wird übersehen: Zivilcourage war nicht immer selbstverständlich, egal wo in Deutschland. Wer in der DDR aneckte, wurde beobachtet. Kritik an Behörden oder offen gezeigte Solidarität mit Verfolgten konnte schnell ernste private oder beruftliche Konsequenzen haben. Anzeichen des Widerspruchs wurden dokumentiert. Auch in der alten Bundesrepublik war Zivilcourage lange kein gesellschaftlich erwünschtes Verhalten. Wer Missstände ansprach oder sich engagierte, stieß schnell auf Ablehnung, nicht zuletzt bei Themen wie Rassismus, Umweltverschmutzung oder der Aufarbeitung der NS-Zeit.

Mit den gesellschaftlichen Bewegungen ab den späten 1960er-Jahren, z. B. durch kirchliche Friedensgruppen oder Umweltschutzinitiativen, wuchs ein Bewusstsein dafür, dass Verantwortung nicht beim Staat endet, sondern bei uns allen beginnt. In der DDR war Zivilcourage oft eng mit dem Mut zur Systemkritik verknüpft. In Westdeutschland mit dem Bruch von Tabus und dem Hinterfragen alter Autoritäten. Nach der Wiedervereinigung wurde dieses Verständnis von Verantwortung und Mitmenschlichkeit neu verhandelt, nicht zuletzt in Auseinandersetzung mit der rechtsextremen Gewalt in den 1990er-Jahre. Die Reaktionen darauf, z. B. Proteste, zivilgesellschaftliche Bündnisse, Bildungsinitiativen, machten deutlich, dass eine neue Kultur des Hinsehens entsteht.

Heute gibt es mehr Aufmerksamkeit für Zivilcourage, seien es Programme an Schulen, Schutz für Whistleblower:innen oder Diskussionen über Haltung in unserem Alltag. Dennoch bleibt es eine Herausforderung, sich einzumischen – sowohl im Netz als auch im analogen Miteinander. Der Druck, nichts falsch zu machen, ist groß. Aber das gesellschaftliche Klima ist sensibler geworden und der Mut anderer wirkt ansteckend. Zivilcourage kann man nicht verordnen, aber lernen und fördern. Früher war es unüblicher, teils riskanter Zivilcourage zu zeigen. Dass sich das geändert hat, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger, oft mühsamer Veränderungen. So gesehen, ist sie eine soziale Innovation, die wir nicht als gegeben hinnehmen sollten, sondern als Auftrag.